Der Zauber selbst gebastelter Weihnachtsgeschenke
*Liebe Leserinnen, liebe Leser*
Juchhu, der so so so lange ersehnte dritte Advent war endlich da. Und man kann sich kaum vorstellen, welch herrliche Erinnerungen und Gedanken an den Zauber selbst gebastelter Weihnachtsgeschenke in der Folgezeit liegen.
Es war all die Jahre immer wieder spannend, wenn am dritten der vier Sonntage vor Weihnachten die Frau Mama am späten Nachmittag mit einem schneeweißen Bogen Papier in die Wohnstube kam. Dann schnitt sie diesen schmunzelnd mit einer Schere in Streifen und sagte:
“So, meine lieben Kinder, jetzt dürft ihr eure Wunschzettel schreiben!”
Jeder von uns bekam einen Bleistift, und dann ging es los. Wir hatten vor lauter Aufregung ganz rote Köpfe und wir hatten Wünsche, genauer gesagt ganz viele Wünsche!
Wünsche, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Es ging von einer Riesentüte mit Zuckerstangen und anderen Süßigkeiten bis zu einer Katze oder einem Hund oder sogar einem Brüderchen oder Schwesterchen.
Während wir unserer Fantasie absolut freien Lauf ließen, hatten wir beinahe schon das Gefühl, als wären alle die gewünschten Dinge bereits da.
Nachdem unsere Frau Mama die Zettel eingesammelt hatte, fing sie an sie zu lesen.
Hier und da musste sie schmunzeln, manchmal sogar lachen. Und hier und da machte sie einen Strich und sagte dann:
„Oh je, oh je, wollt ihr wirklich allen Ernstes dem Christkind zumuten, so schwere und so große Sachen zu schleppen?”
„Ach, liebste Mama, wir sind doch auch mit ganz kleinen Dingen zufrieden. Aber es war so schön, überhaupt über die Wünsche nachzudenken und sie aufzuschreiben oder aufzumalen.“
Wir wussten unsere Wunschzettel bei unserer Mutter in den allerbesten Händen! Und wir glaubten ganz fest daran, dass sie und das Christkind in sehr enger Verbindung standen. Wie hätte sie denn auch sonst so oft und vor allem so ernst sagen können:
“Wenn du dich so benimmst, wirst du das liebe Christkind aber ziemlich doll verärgern.”
Table of Contents
ToggleOder sie ließ ab und zu die Bemerkung los:
“Mein lieben Kinder, ich weiß da etwas vom Christkind, ihr könnt euch wirklich freuen, aber ich darf natürlich noch nichts verraten!”
Immer und immer wieder wurde unsere Vorfreude gesteigert! Manchmal lag ein Stückchen Goldpapier auf dem Boden, welches wohl das Christkind verloren hatte. Oder aber wir bekamen einen Bonbon aus einer Tüte, die das liebe Christkind bereits hinterlegt hatte.
Das Schönste während der restlichen Tage vor dem Weihnachtsfest war jedoch der Zauber, der über dem geheimnisvolle Arbeiten an den selbst gebastelten Weihnachtsgeschenken für die Eltern und Geschwister lag.
Besonders spannend waren die Abende, wo man überlegte und sich absprach. Natürlich gab es aber auch Geheimnistuerei, wenn es die Eltern betraf und dann auch wieder untereinander!
Damit wir auf jeden Fall unsere kleinen Geheimnisse behüten konnten, wurden unsere Kinderzimmer mittels spanischer Wände aufgeteilt. Dadurch konnten wir, gesichert vor neugierigen Blicken der Geschwister, basteln und arbeiten.
Dabei ging es natürlich nicht immer friedlich zu, aber die Hauptsache war, dass man die Überraschungen für die Eltern mehr oder minder in Ruhe ausarbeiten und fertigstellen konnte.
Man brauchte aber wirklich Ruhe und Schutz vor den Blicken anderer, denn es gab feste Regeln:
Es durfte nicht mehr als 2 Euro kosten und es musste ein selbst gebasteltes Weihnachtsgeschenk sein!
Da musste man schon seinen ganzen Verstand und auch all sein Können zusammenzunehmen, um das dann auch letztendlich ordentlich bzw. überhaupt hinzubekommen.
Oft entstanden dabei auch wunderbare, kleine Kunstwerke!
Von einigen dieser selbst gebastelten Weihnachtsgeschenken ging regelrecht ein Zauber aus:
Es entstanden beispielsweise Schachteln oder Dosen mit der Aufschrift “Von Herzen gerne”, ein Ritter, der einen Bleistift als Lanze und eine Stopfnadel als Schwert hatte, ein Stecknadelkissen, welches mit gehäkelter Spitze verziert wurde, gestrickte Topflappen oder, oder, oder.
Beneidenswert prachtvoll empfand ich die Arbeit einer meiner Schwestern. Sie hatte sich eine Locke abgeschnitten und diese unter ein von Papier ausgeschnittenes Netz geklebt. Zog man dieses nach oben, wurde die blonde Locke sichtbar, was wir nie genug bewundern konnten, und außen herum hatte sie noch Blümchen aus buntem Papier aufgeklebt.
Mal ganz ehrlich unter uns Klosterschwestern gefragt:
„Ob wohl je in irgendeiner Manufaktur oder Werkstatt auf der ganzen Welt mit so viel Hingebung und Glückseligkeit im Herzen gearbeitet wurde wie hier bei uns zu Hause?
Während der Zeit, in der wir bastelten, saßen die Eltern in der Wohnstube. Der Vater rauchte manchmal eine Pfeife und las die Zeitung. Und die Mutter bastelte auch an etwas, was wir Kinder natürlich nicht sehen durften!
Beinahe jedes Jahr schneiderte sie neue Kleider für unsere Puppen und Teddybären. Das konnten wir schon fast ahnen, wenn wir ganz gespannt lauschten, welche Schere da gerade schnipp schnapp machte oder auf das unterschiedliche Rascheln der verschiedenen Stoffe.
Alles in allem war es immer eine wunderschöne Advents- und Vorweihnachtszeit in der guten alten Zeit. Und dazu kam, dass sie gespickt war mit ganz vielen Geheimnissen.
Die wundervollen Erinnerungen zaubern mir immer wieder ein Lächeln ins Gesicht und machen mir das Leben in der heute oft so arg kalten Welt ein Stück leichter!
Und was ist die Moral von der Geschicht?
Unsere guten Erinnerungen verblassen ganz sicher niemals nicht!
Wie auch immer Ihr Euch gerade fühlt und wo auch immer Ihr gerade seid, ich wünsche Euch von Herzen gerne eine gesunde & fröhliche Vorweihnachtszeit.
Euer „alter“ Mann
Werner Michael Heus