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Weihnachtsbaumständer mit Spieluhr

Liebe Leserinnen, liebe Leser

Es war im Jahr 1978 als ich, wie immer eine Woche vor Weihnachten die Weihnachtssachen aus dem Keller holte. In dem Jahr schaute ich auch auf dem Dachboden nach. Dort entdeckte ich mehr oder minder in der hinter letzten Ecke einen völlig verstaubten, uralten Weihnachtsbaumständer. Dieser verfügte über eine eingebaute Spielwalze, also ein Weihnachtsbaumständer mit Spieluhr

Als ich nach einer ersten groben Reinigung den Mechanismus  mit dem dazugehörigen Schlüssel ganz vorsichtig drehte, konnte ich die Melodie von „Ihr Kinderlein kommet“ ganz klar erkennen.

Das musste der Christbaumständer sein, von dem meine Großmutter immer wieder aus ihrer eigenen Kindheit erzählt hatte, wenn die Zeit kam, wo wir den Weihnachtsbaum aufstellten.

Er sah zwar ziemlich ramponiert aus, aber wie sehr würde sich die Großmutter freuen! Vor meinem geistigen Auge spielte sich ab, wie sie am Heiligabend vor dem Baum sitzt und auf einmal dreht sich die Zeit zurück. Jedoch nicht nur meine Großmutter und mein Großvater, sondern die ganze Familie würde Bauklötze staunen.

Weihnachtsbaumständer mit SpieluhrIch nahm den Ständer und schlich ungesehen in die kleine Bastelwerkstatt meines Großvaters im Keller. Nach einer gründlichen Reinigung und Austausch einiger Schrauben und Federn sollte der Ständer so gut wie neu sein. Was mir zugutekam, war, dass ich in einem Fachgeschäft für Eisenwaren und Baubedarf arbeitete, wo ich alle benötigen Teile dann auch tatsächlich fand.

Kurz vor Weihnachten sah der Weihnachtsbaumständer mit Spieluhr dann tatsächlich fast wieder aus wie neu.

Mir gelang es dann auch noch einen wirklich prächtigen Weihnachtsbaum zu besorgen. Etwa zwei Meter hoch, denn er sollte bis fast zur Decke gehen. So war es im Hause meiner Großeltern wohl seit vielen Generationen Tradition.

Ich stellte den Baum in den Ständer und führte einen Probelauf durch. Alles funktionierte bestens und wieder stellte ich mir vor, was für große Augen meine Großmutter machen würde.

Und dann kam endlich der Heiligabend heran.

Ich bat den Weihnachtsbaum in diesem Jahr mal ganz alleine schmücken zu dürfen. Da ich immer Großmutters Lieblingsenkelkind gewesen bin, wurde mir dieser Wunsch erfüllt.

Neben den obligatorischen Lichterketten hatte ich zusätzlich echte Christbaumkerzen besorgt, denn die entsprechenden Halter dafür waren vorhanden. Mir ging es darum, alles so getreu, wie irgend möglich zu gestalten. Dabei sagte ich mir: „Die werden Augen machen!“

Als alles fertig war, überprüfte ich noch einmal alles. Der Stern von Bethlehem war oben auf der Spitze, alle Kugeln waren angebracht, Naschwerk und sogar die Wunderkerzen, die meine Großmutter so sehr liebte, hingen hübsch angeordnet am Baum. Auch das Engelhaar und Lametta waren so angebracht, wie meine Großmutter es liebte. Die Feier konnte also beginnen!

Für die Großmutter stellte ich ihren Lieblingssessel parat und die Stühle alle anderen Familienmitglieder in einem Halbkreis um den Tannenbaum.

Respektvoll führte ich meine Großmutter zu ihrem Sessel, meine Eltern setzten sich neben sie und ganz außen saßen meine Geschwister.

„Und jetzt kommt die große Weihnachtsüberraschung

Verkündete ich, löste die Sperre am Ständer und nahm ganz schnell Platz. Langsam begann der Weihnachtsbaum sich zu drehen und von der Musikwalze klang hell und klar das zweite Lied:

„O du fröhliche“.

Ihr könnt euch wahrscheinlich vorstellen, was das für eine unbeschreibliche Freude rundum war! Meine Geschwister klatschten begeistert in die Hände und meine Großmutter hatte Tränen in den Augen vor lauter Rührung. Selbst mein Großvater, ein ziemlich mürrischer, aber herzensguter Mensch, war stumm vor Staunen.

Eine Weile schaute die Familie entzückt und in sich gekehrt auf den sich in seinem Festgewand drehenden Weihnachtsbaum, bis meine Geschwister anfingen zu singen:

„Wir haben Hunger, Hunger, Hunger, haben Hunger, Hunger, Hunger, haben Hunger, Hunger, Hunger, haben Durst!“

Meine Großmutter musste laut lachen und alle anderen auch, denn Kindermund tut ja nun mal bekanntlich Wahrheit kund! Sie lud alle in die Küche ein, um die letzten Vorbereitungen zum Festmahl zu treffen. Es galt ja schließlich der obligatorischen Weihnachtsgans, dem Rotkohl und den selbst gemachten Knödeln in absehbarer Zeit zu Leibe zu rücken.

In der Zwischenzeit setzte ich die Sperre wieder in den Weihnachtsbaumständer mit Spieluhr ein und bereitete die Bescherung vor. Meine Großmutter hatte mir exakt beschrieben, wie ich die Geschenke platzieren sollte und so tat ich, wie mir geheißen worden war.

Die Weihnachtsgans war, wie immer, unbeschreiblich lecker. Ich erinnere mich immer wieder gerne, wie ich damals beim Befüllen helfen durfte. Und wie akribisch meine Großmutter stundenlang die Gans, damals noch in einem Kohleherd, beobachtete und immer wieder drehte oder begoss, bis sie dermaßen lecker aussah und vor allem auch so lecker schmeckte, dass sich jeder im wahrsten Sinne des Wortes die Finger leckte.

Weihnachtspyramide mit GlockenspielAls es dann an den Nachtisch, Bratapfel mit Marzipan, Mandeln, Haselnüssen, Rum und Zimt, ging, beauftragte mich meine Großmutter ihrer besten Freundin auch einen zu bringen.

Das hatten wir vorher so abgesprochen, zwinker. Tatsächlich ging ich nämlich ins Wohnzimmer und baute die Weihnachtspyramide aus Messing mit Glockenspiel auf.

Diese spielt in der Weihnachtstradition meiner Großeltern eine sehr große Rolle. Nach dem Anzünden der Kerzen fängt die Pyramide an sich zu drehen. Erst langsam und mit aufsteigender Hitze schneller und schneller. Nach ein paar Minuten schlagen die kleinen Klöppel unter den Engeln dann gegen die Glocken. Das ergibt einen wunderschönen sanften Klang.

Die Kinder gehen von Zeit zu Zeit zur Wohnzimmertür und horchen. Wenn dann die Glöckchen klingen, ist es das untrügliche Zeichen, dass das Christkind da war und die Bescherung kann beginnen.

Vom zeitlichen Ablauf her klappte es perfekt. Etwa 3 Minuten nach meiner Rückkehr von der angeblichen Bratapfelauslieferung erklang doch tatsächlich das Glöckchen im Wohnzimmer.

Es wurde ein ganz besonderer Heiligabend.

Mein jüngster Bruder, damals neun Jahre alt, meinte nur:

„Werner, das war echt stark! Machen wir das jetzt Weihnachten immer so?“ 

Diese Versprechen gab ich ihm nur allzu gerne.

 

Sternenschweif

Und was ist die Moral von der Geschicht?

Die Jahre vergehen, die Bräuche und Traditionen hoffentlich nicht!

Wie auch immer Ihr Euch gerade fühlt und wo auch immer Ihr gerade seid, ich wünsche euch von Herzen gerne eine fröhliche Weihnachtszeit.

Euer „alter“ Mann

Werner Michael Heus

Ein Kommentar

  • Hannelore

    Guten Abend lieber Werner,
    es war wieder schön anzuhören deine Geschichte.
    Weihnachtsbaumständer mit Spieluhr kenne ich nicht.
    Ja, die Tradition vergisst man nicht, die bleibt in
    Erinnerung und man führt sie weiter.
    Schöne Weihnachtszeit wünsche ich dir und bleib gesund.

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